Bericht über den Brandschutztag 2023

CURRENTA-FACHTAGUNG ZU SICHEREM SCHIENENVERKEHR IST WIEDER DA

Der Brandschutztag Schienenfahrzeuge 2023 fand erstmals seit vier Jahren wieder live im CHEMPARK Leverkusen statt.
Für Hersteller von Schienenfahrzeugen, Komponenten und Materialien gehört der Brandschutztag Schienenfahrzeuge im deutschsprachigen Raum zu den alljährlichen Pflichtveranstaltungen. Denn auf der CURRENTA-Tagung in Leverkusen treffen sich alle, um neue Sicherheitsanforderungen, technische Trends sowie aktuelle Prüfverfahren zu besprechen und das berufliche Netzwerk zu pflegen.

Die normale Welt des Eisenbahnbundesamtes mit all ihren Dokumenten, Abkürzungen und „Behördensprech“ wirkt auf den ersten Blick wie ein aus der Zeit gefallenes Bürokratiemonster. Die von Johannes Driller aus der Bonner Bundesbehörde auf dem CURRENTA-Brandschutztag am 16. November präsentierte „trockene Materie“ ist ein wichtiger Stützpfeiler dafür, dass die Schiene mit zu den sichersten Verkehrsmitteln gehört, weit vor dem Straßenverkehr.

Für Michael Halfmann sind die Brandschutznormen sowie hohen europäischen Sicherheitsanforderungen im Schienenverkehrsbereich, eine wichtige Geschäftsgrundlage für die von ihm geleitete CURRENTA Brandtechnologie im Flittarder Werksteil des CHEMPARK Leverkusen. „Ich freue mich, dass wir uns erstmals nach vier Jahren wieder live treffen und die CURRENTA rund 150 Teilnehmer*innen aus dem In- und Ausland mehrheitlich, trotz Bahnstreik, im Leverkusener Baykomm begrüßen kann“, betonte der Initiator des Brandschutztages Schienenfahrzeuge. „Auch wenn wir als Prüflabor keine eigenen Produkte oder gar Transportmittel erzeugen, ist unsere Kompetenz in der Analytik beim Thema Brandschutz und beispielsweise bei der komplexen Bewertung der Toxizität gefragt, um die geforderte Sicherheit auf die Schiene zu bringen“, ergänzt Labor- und Betriebsleiter Alexander Kuchner. Im Laufe von 20 Jahren hat sich der alljährliche Brandschutztag Schienenfahrzeuge zu einem der bedeutendsten Brandschutztreffen der deutschsprachigen ÖPNV-Community entwickelt. Das spiegelte sich auch im vielfältigen Programm für Hersteller und Zulieferer von Schienenfahrzeugen , Prüflabore sowie staatliche Stellen am 16. November wider.

Auf dem Weg zu Schienenfahrzeugen mit steigendem Sicherheitsniveau

Nachdem das Eisenbahnbundesamt einem Überblick zu aktuellen Veränderungen der TSI (Technische Spezifikationen für die Interoperabilität) und brandtechnologische Anforderungen gegeben hatte, nutzte Helmuth Kleinöder seine Vortragszeit, um zu zeigen, wie Alstom, im Rahmen der gesetzlichen Leitplanken, ein eigenes System der Brandgefährdungsanalyse für Schienenfahrzeuge entwickelt hat. Es zeichnet sich dadurch aus, dass es alle Bereiche zusammenbringt, um sowohl Erfahrungen auszutauschen als auch Risiken gemeinsam zu bewerten.

Brandversuche sorgen für Fahrgastschutz

Die europäisch harmonisierte Norm EN 45545 zum Brandschutz in Schienenfahrzeugen hat als oberstes Schutzziel die Personensicherheit. Explizit diesem Ziel verpflichtet, waren die von Alexander Kuchner und Sebastian Schulz vorgestellten Brandversuche nach EN 45545-2, denen zum Beispiel in Reisezügen verbaute Materialien in den CURRENTA-Laboren standhalten müssen. Denn nur wenn jeder Fahrgast ausreichend Zeit und Platz hat, den Zug rechtzeitig vor der Ausbreitung eines Brandes zu verlassen, ist eine sichere Evakuierung möglich.
Alexander Kuchner (links) und Sebastian Schulz (rechts) fokussierten sich bei ihrem Tandemvortrag auf die Anforderungen, Bewertungen und Herausforderungen bei Brandschutzprüfungen für Schienenfahrzeuge.

Normen als Exportschlager

Philip Gallandi vom DIN-Normenausschuss Fahrweg und Schienenfahrzeuge zeigte sich überzeugt, dass die europäischen Brandschutznormen so gut sind, dass sie auch weltweit zum Standard werden können. Wenn es gelingt nationale und strukturelle Hürden zu überwinden können Handelshemmnisse minimiert und das Sicherheitsniveau gesteigert werden.

Grüne Antriebe auf dem Vormarsch

Megatrends wie der Wasserstoff- und Batterietechnologie widmete sich Tolga Wichmann vom TÜV SÜD Rail, der aktuell noch einen Mangel an passenden Normen beobachtet, die auf eine Vielfalt von technischen Lösungen, zum Beispiel beim Aufbau von Batterien, trifft. Darüber hinaus gelte es auch Risiken beim Transport von Elektrofahrrädern zu berücksichtigen.

Große Sicherheitsdiskrepanz zwischen Bus und Bahn

Für noch mehr Verwunderung, wenn nicht sogar Stirnrunzeln, sorgten die Forschungsergebnisse von Dr.-Ing. Anja Hofmann-Böllinghaus zum Brandschutz in Bussen. Anders als im Schienenverkehr mangelt es hier an weiterführenden Sicherheitsvorgaben im Sinne der Fahrgastsicherheit. Gerade im vergangenen Jahrzehnt stellte die Wissenschaftlerin aus der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) fest, habe es deshalb einige Busbrände mit zahlreichen Toten gegeben. Erst ein millionenschwerer Schaden durch das Abbrennen eines kompletten Busdepots habe zu Nachfragen von Versicherern geführt und auf die aktuellen Schwachstellen beim Brandschutz in Bussen aufmerksam gemacht. Mit Blick auf den Brandschutztag Schienenfahrzeuge zeigt sich, dass das Wissen und sicherere Produkte auch für den Busverkehr da sind. Eine normative Erarbeitung bzw. Übertragung der Brandschutzanforderungen aus dem Schienenverkehr auf den Bussektor würde zu einer erheblichen Verbesserung des Sicherheitsniveaus führen.
Die häufigsten Brandursachen in Bussen passen nicht zu den heute noch gültigen Brandschutzvorgaben aus den 1960er Jahren, die vor allem von einer Brandgefahr durch Raucher im Bus ausgingen.

Das Brandschutztag-Video