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Das war der Brandschutztag 2025:
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Bericht über den Brandschutztag 2025
Brandschutztagung Schienenfahrzeuge 2025 – heiße Themen und hochkarätigen Referenten

EU-Zielvorgabe: Grenzenloser Schienenverkehr und ein Likör mit Signalwirkung
Andreas Schirmer von der Europäischen Eisenbahnagentur (ERA) stellte auf einer Fachkonferenz das „New Legislative Framework“ (NLF) und die Technischen Spezifikationen für die Interoperabilität (TSIen) vor. Ziel ist ein sicheres, nachhaltiges und grenzüberschreitendes Bahnsystem in Europa.
Ein besonders anschauliches Beispiel war das Cassis-de-Dijon-Prinzip: Ein Rechtsstreit zwischen der REWE-Gruppe und dem deutschen Branntweinmonopolgesetz zeigte, dass Produkte, die in einem EU-Land legal verkauft werden, auch in anderen Mitgliedstaaten zugelassen sein müssen. Dieses Prinzip steht sinnbildlich für den Abbau technischer und rechtlicher Handelshemmnisse – auch im Eisenbahnsektor.
Die ERA spielt dabei eine Schlüsselrolle: Sie sorgt für einheitliche Standards, Sicherheit und schafft die Rahmenbedingungen für Fahrzeugzulassungen. Ergänzt wird das Ganze durch das 4. Eisenbahnpaket von 2016, das die Rolle der ERA weiter stärkt.
Zertifizierung als Schlüssel für sicheren Schienenverkehr
Zentrale Aspekte der Fahrzeugzertifizierung im europäischen Schienenverkehr präsentierte Reiner Heldt von der Railway Approvals Germany GmbH. Im Fokus standen die rechtlichen Grundlagen, Genehmigungsarten sowie die Anwendung der Brandschutznorm EN 45545-2 – sowohl im Geltungsbereich der Technischen Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI) als auch darüber hinaus, etwa bei Straßenbahnen gemäß BOStrab.
Besonders praxisnah wurden die Unterschiede zwischen den Normversionen von 2016 und 2020 dargestellt, etwa bei Prüfnormen, Anforderungen an Sitzsysteme oder der Rauchgastoxizität. Die Einhaltung dieser Normen ist entscheidend für die Sicherheit, Interoperabilität und Akzeptanz neuer Fahrzeuge. Heldt betonte, dass ein klar strukturierter Zertifizierungsprozess Vertrauen schafft und Innovation fördert.
Im Kontext des European Green Deal und der angestrebten CO₂-Reduktion ist die Zertifizierung ein zentrales Instrument, um den Schienenverkehr als nachhaltige Mobilitätslösung weiter auszubauen.
Heiße Zahlen, klare Normen: Wie Brandtests die Sicherheit auf Schienen sichern
Für Sebastian Schulz von der Currenta Brandtechnologie ein Heimspiel beim Brandschutztag 2025, gab er einen umfassenden Überblick über brandtechnologische Prüfmethoden und Kennzahlen im Kontext der Normenreihe EN 45545.
Im Fokus standen Prüfverfahren zur Entzündbarkeit, Flammenausbreitung, Wärmefreisetzung, Rauchdichte und -gastoxizität sowie zum Feuerwiderstand. Schulz erläuterte die Bedeutung dieser Kenngrößen für die Sicherheit von Schienenfahrzeugen und zeigte, wie sie in Abhängigkeit von Bauart- und Betriebsklassen bewertet werden. Ergänzend stellte er Prüfmethoden aus der US-Norm NFPA 130 vor und verglich sie mit europäischen Verfahren. Besonders praxisnah war die Darstellung der Prüfbedingungen und Grenzwerte, etwa für den Oxygen Index (OI), die maximale Wärmefreisetzung (MARHE) oder den konventionellen Toxizitätsindex (CIT). Der Vortrag unterstrich die zentrale Rolle standardisierter Prüfverfahren für den vorbeugenden Brandschutz und die sichere Gestaltung moderner Schienenfahrzeuge.
Zwischen DIN, EN und ISO: Brandschutz auf internationalem Gleis
Philip Gallandi vom DIN e. V. stellte die nationale und internationale Normungsarbeit im Bereich Brandschutz für Schienenfahrzeuge vor. Im Zentrum stand die Entwicklung der Normenreihe ISO 9828, die künftig Anforderungen an Materialien, elektrische Ausrüstungen und Brandschutzsysteme definieren soll.
Gallandi erläuterte die verschiedenen Normungsebenen und betonte die Bedeutung harmonisierter Normen für die Interoperabilität im europäischen Bahnverkehr. Die neue Plattform „Online Standard Drafting“ ermöglicht dabei eine effiziente, kollaborative Normenerarbeitung.
Besonders relevant: Die Optionen zur Übernahme der ISO 9828 in das europäische Normensystem – von paralleler Existenz bis hin zur vollständigen Integration mit Anpassungen. Der Vortrag zeigte, wie Normung nicht nur technische Sicherheit schafft, sondern auch regulatorische Klarheit und Flexibilität für die Zukunft des Schienenverkehrs.
Alt trifft Neu - Herausforderungen bei der Modernisierung
Auf der Fachkonferenz beleuchtete Frank Lüders von der DB Systemtechnik die Umsetzung brandschutztechnischer Vorschriften bei der Modernisierung und Instandhaltung von Schienenfahrzeugen. Im Fokus standen die Nachweisführung gemäß DIN EN 45545-2, die Festlegung von Gefährdungsstufen und die Auswahl geeigneter Normen.
Besonders herausfordernd sind Schnittstellenprobleme bei Bestandsfahrzeugen, etwa durch die Integration neuer Systeme wie WLAN oder PRM-Anpassungen, die mit alten Materialien schwer vereinbar sind. Lüders zeigte praxisnah, wie brandschutztechnische Bewertungen, Inspektionen und Materialanalysen helfen, sichere Lösungen zu entwickeln – etwa bei der Aufarbeitung von Oberflächen mit neuen Werkstoffverbünden. Sein Fazit: Die Brandschutznorm beeinflusst nicht nur den Neubau, sondern zunehmend auch die Instandhaltung. Künftig muss Brandschutz bereits bei der Materialwahl für spätere Modernisierungen mitgedacht werden.
Zwischen Risiko und Regelwerk: E-Mobilität im Schienenverkehr
Corinna Trettin vom TÜV Süd stellte auf der Fachkonferenz die sicherheitstechnischen Herausforderungen beim Transport von E-Tretrollern und E-Bikes im Schienenverkehr dar. Im Fokus standen die Eigenschaften von Lithium-Ionen-Batterien, insbesondere das Risiko eines „Thermal Runaway“ durch Überladung, Kurzschluss oder mechanische Schäden.
Anhand einer Brandrisikoanalyse für E-Roller im Fahrgastraum zeigte Trettin, wie Zündquellen, Entzündungswahrscheinlichkeit und Auswirkungen bewertet werden. Die Analyse basiert auf geltenden Richtlinien wie der Maschinen- und Niederspannungsrichtlinie sowie EN 60812. Die Sicherheitsanforderungen für E-Bikes und E-Tretroller unterscheiden sich kaum – entscheidend ist die Betreiberverantwortung. Sie resümiert, dass der Transport von E-Tretrollern möglich ist, wenn das akzeptierte Restrisiko projektspezifisch bewertet und geeignete Maßnahmen zur Risikominderung getroffen werden.
Simulation statt Spekulation - Der Weg zum standardisierten Bemessungsbrand
Manuel Osburg von der Brandschutz Consult Ingenieurgesellschaft (BCI) präsentierte auf der Fachkonferenz die Bedeutung und Methodik von Bemessungsbränden für den Brandschutz in Schienenfahrzeugen. Dabei wurde zwischen fahrzeugbezogenem Brandschutz gemäß EN 45545 und infrastrukturbezogenem Schutz nach EBA-Vorgaben und DIN 5647 unterschieden.
Osburg erläuterte die Unterschiede zwischen standardisierten und individuellen Bemessungsbränden: Während standardisierte Modelle konservativ und idealisiert sind, ermöglichen individuelle Ansätze eine realitätsnahe Prognose der Brandausbreitung – basierend auf Brandversuchen, Simulationen und Materialdaten. Besonders betont wurde die Rolle von Zündszenarien, Ventilationsbedingungen und der Position des Zündinitials. Derzeit fehlt ein einheitlicher Standard, was zu hohem Aufwand und uneinheitlichen Ergebnissen führt. Ziel ist ein methodischer Leitfaden mit klaren Vorgaben, Qualitätsmanagement und Validierung. Das Projekt BESKID nutzt KI-basierte Daten zur Weiterentwicklung von Bemessungsbrandsimulationen – ein innovativer Schritt für reproduzierbare und praxisnahe Brandschutzkonzepte im Schienenverkehr.
Brandsimulation trifft Realbrandversuche
Gerhard Murtinger präsentierte am Brandschutztag mit viel Humor, wie Siemens Mobility Brandsimulationen mithilfe realer Brandversuche validiert hat. Ziel ist es, das Verhalten von Schienenfahrzeugen im Brandfall realitätsnah zu modellieren – etwa zur Bewertung der Fahrfähigkeit, Brandausbreitung oder Rauchausbreitung. Mit komplexen Pyrolysemodellen kann das thermische Verhalten von Materialien realitätsnah abgebildet werden. Diese Modelle wurden durch gezielte Brandversuche – vom Cone-Calorimeter bis zum Großbrandversuch mit einem kompletten Schienenfahrzeug – überprüft.
Die Ergebnisse zeigen: Nur durch die Kombination aus Simulation und realen Messdaten lassen sich verlässliche Aussagen zur Brandausbreitung, Wärmefreisetzung und Rauchausbreitung treffen. Besonders die realitätsnahe Pyrolysemodellierung erweist sich als Schlüssel für präzise Brandsimulationen. Sie ermöglicht eine fundierte Bewertung sicherheitsrelevanter Szenarien und unterstützt die Entwicklung robuster Brandschutzkonzepte im Schienenverkehr.
Rückblick und Ausblick: Fachkonferenz Brandschutz im Schienenverkehr
Die Fachkonferenz bot mit acht hochkarätigen Vorträgen einen umfassenden Einblick in aktuelle Entwicklungen des Brandschutzes im Schienenverkehr. Themen reichten von normativen Grundlagen wie der EN 45545 und ISO 9828 über Zertifizierungsprozesse und Materialprüfungen bis hin zu realitätsnahen Brandsimulationen und Risikobetrachtungen bei E-Mobilität. Besonders deutlich wurde: Die Anforderungen an Sicherheit, Interoperabilität und Nachhaltigkeit steigen – ebenso wie die Komplexität bei Modernisierung, Instandhaltung und Zulassung. Der Austausch zwischen Industrie, Prüfinstitutionen und Normungsgremien zeigte, wie wichtig praxisnahe Lösungen, valide Prüfmethoden und harmonisierte Standards sind. Der Blick in die Zukunft: Künstliche Intelligenz, datenbasierte Simulationen und flexible Normungsstrategien werden zentrale Rollen spielen – für einen sicheren, modernen und klimafreundlichen Schienenverkehr in Europa.
Am Morgen nach der Tagung nahmen wieder zahlreiche Teilnehmer*innen des 18. Brandschutztages Schienenfahrzeuge in Kleingruppen an Führungen durch das Currenta Brandversuchshaus teil.
Schon jetzt steht fest: Der nächste Brandschutztag am 8. April 2027 knüpft genau hier an – mit neuen Impulsen, vertiefenden Diskussionen und dem Ziel, den Brandschutz im Schienenverkehr weiter zukunftssicher zu gestalten.

Die Referenten und das Programm
10. April 2025
Referenten
Philip GALLANDI
DIN-Normenausschuss Fahrweg und Schienenfahrzeuge, Berlin
Michael HALFMANN
Currenta – Analytik FMA, Leverkusen
Rainer HELDT
Railway Approvals Germany GmbH, Hannover
Alexander KUCHNER
Currenta – Analytik Brandtechnologie, Leverkusen
Frank LÜDERS
DB Systemtechnik GmbH, Brandenburg-Kirchmösern
Gerhard MURTINGER
Siemens Mobility Austria GmbH, Wien
Manuel OSBURG
Brandschutz Consult Ingenieurgesellschaft mbH, Leipzig
Andreas SCHIRMER
European Union Agency for Railways, Valenciennes Cedex
Sebastian SCHULZ
Currenta – Analytik Brandtechnologie, Leverkusen
Corinna TRETTIN
TÜV SÜD Rail GmbH, Berlin
Programm
Einlass (Meet & Greet)
Begrüßung (HALFMANN & KUCHNER)
“New Legislative Framework” (NLF) und TSIen (SCHIRMER)
Erfahrungen aus Sicht einer Benannten Stelle – NoBo (HELDT)
Kaffeepause
Brandtechnologische Prüfung – Überblick der Methoden und Kennzahlen (SCHULZ)
Brandschutznormung und die Arbeit am internationalen Standard für Schienenfahrzeuge – ISO 9828 (GALLANDI)
Herausforderungen bei der Umsetzung von brandschutztechnischen Vorschriften bei der Modernisierung und Instandhaltung von Schienenfahrzeugen (LÜDERS)
Diskussion, anschließend Mittagspause mit Imbiss
Herausforderung bei der Mitnahme von E-Mobilität im Schienenverkehr (TRETTIN)
Von der Forschung zur Praxis: Ein Leitfaden für die Erarbeitung von Bemessungsbränden für Schienenfahrzeuge (OSBURG)
Validierung von Brandsimulationen anhand von Realbrandversuchen (MURTINGER)
Schlussworte, anschließend Möglichkeit zur weiteren Diskussion im Foyer
Ende der Veranstaltung